Nach einer längeren Fahrt, stiegen dann alle an der Zielhaltestelle am "Allee-Center" aus und liefen zusammen mit der Klassenlehrerin Frau Bahn, vorbei an der alten Johanniskirche in Richtung "Neue Strombrücke". Von dort aus konnte man die Elbe glitzern sehen und die Sonne spiegelte sich hüpfend im Wasser. Wenig später spazierte die Gruppe am Elbufer entlang. Es roch am "Kleinen Stadtmarsch" wieder unverkennbar nach Elbe (jeder Magdeburger kennt den typischen "Duft"), die Vögel zwitscherten und es brummte. Wie bitte? *Brrruuummm* machte es auf einmal...
Was war das? Vereinzelte Blicke fielen auf die kleine Sophie Kaiser, 8 Jahre alt. "Ups, das war mein Magen. Ich muss unbedingt etwas essen, sonst falle ich auf der Stelle um!", sagte sie frech grinsend. Die anderen Kinder hatten auch schon Hunger und nickten zustimmend, den Blick fest auf Frau Bahn gerichtet. Also wurde kurzerhand auf einer grünen Rasenfläche, schräg gegenüber des Magdeburger Doms, ein Picknick gemacht. Jeder holte eine Decke aus seinem Rucksack heraus, setzte sich darauf und aß genüsslich sein leckeres Frühstück. Es war echt toll!
Die Elbe führte dieses Jahr erstaunlich viel Wasser mit sich und mittelgroße Wellen rauschten vorbei. Kleine Schaumberge bildeten sich und patschten ans Ufer, fast wie an der Ostsee. Man konnte sehr gut die starke Strömung des Flusses erkennen. Und auch den großen Hai. Den Hai??? Welchen Hai? In der Elbe??? Niemals! "Maaaaaaax, schau mal! Da ist ein grüner Hai in der Elbe, gleich vor dem Dom!", flüsterte Sophie ihrem Klassenkameraden ängstlich ins Ohr. Max - selber ein großer Angsthase - ließ gleich vor Schreck seinen Apfel fallen und machte große Augen.
"Du spinnst doch, so was gibt es hier nicht! Und grüne Haie habe ich auch noch nie gesehen!", entgegnete er. Die kleine Sophie hielt sich die Augen zu und zeigte aufgeregt in Richtung Dom. In der Elbe schien aber tatsächlich etwas Grünes zu schwimmen! Max bekam auf einmal rote Ohren und die Angst packte ihn. Irgendwie konnte er das nicht glauben. Er sah deswegen noch einmal genauer hin, winkte dann schnell ab und sagte kopfschüttelnd: "Ach, Quatsch! Das ist so ein Warn-Dingsbums, damit die Schiffe nicht auf den Domfelsen draufbrettern und liegen bleiben."
Zufällig hörte dies die Klassenlehrerin Frau Bahn und fügte noch lächelnd hinzu: "Das nennt man Warnboje. Tatsächlich dürfen hier die Schiffe auf keinen Fall zu nah am Domfelsen vorbeifahren. Der Wasserstand ist dort einfach zu niedrig und das kann ansonsten sehr gefährlich werden! Vor genau dieser Gefahr warnt dann die Boje." Aha, wieder etwas dazugelernt! Frau Bahn ist eine außerordentlich freundliche und verständnisvolle Lehrerin. Mit viel Geduld erklärt sie den Kindern immer alles so, dass sie gleich den Sinn verstehen und es in ihren Köpfen gespeichert wird...
"Ein Hai in der Elbe... So was kann ja nur von Sophie kommen!" Die Mädchen und Jungs verdrehten die Augen und kicherten vergnügt. "Draußen an der frischen Luft schmeckt das Essen immer am besten!", stellte Max schmatzend fest. Sophie nickte. Durch einen Keks im Mund konnte sie noch nicht reden. Das Picknick neigte sich dann auch schon dem Ende zu. Alle brachen nun gestärkt in Richtung Spielplatz auf. Frau Bahn stimmte auf dem Weg dorthin fröhlich das "Magdeburger Lied" an. Alle trällerten lautstark und auch teilweise in schiefer Tonlage im Chor den Refrain:
Ist denn die Elbe immer noch dieselbe? Fragt sich der Dom und wundert sich.
So viel Verkehr, Häuser und noch mehr - hab' ich früher wirklich nicht geseh'n...
Nur Sophie sang nicht mit. Ihr ging der "grüne Hai" einfach nicht mehr aus dem Kopf! Sie musste seit dem Picknick immer an ihn denken. "Grüble nicht so viel und genieße den Tag!", stupste Max dann Sophie an. Die beiden Kinder kannten sich schon seit dem Sandkasten, denn sie gingen in den gleichen Kindergarten. Sophie und Max waren ein Team. Sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel - egal was passierte. Dazu gehörte auch, dass sie gelegentlich die Pausenbrote untereinander tauschten, wenn es mal nicht schmeckte. Einer half dem anderen, ganz einfach...
Vor der Schulklasse lag schon bald auf der rechten Seite die Hubbrücke, welche sich über die Elbe spannte. Auf der linken Seite war die Hyparschale. Zwei wirklich sehr interessante Bauwerke. Kurz danach folgten schon rechts auf den Elbwiesen der Elbeschleppdampfer "Württemberg" - ein Schiffsmuseum - und links die große Stadthalle, wo immer viele Veranstaltungen stattfinden. Überall gab es Magdeburger Geschichte zu entdecken! Und jetzt konnte man auch schon andere Kinder aus der Ferne hören, die bereits auf dem Abenteuerspielplatz herumtobten. Juhuuuu!!!
Innerhalb kürzester Zeit wurde der große Spielplatz erreicht. Frau Bahn gab den aufgeregten Kindern noch ein paar Regeln mit auf den Weg und setzte sich dann zum Ausruhen und natürlich auch zur Beaufsichtigung auf eine der Holzbänke. Die Sonne schien herrlich und es wehte ein laues Lüftchen. Endlich war es soweit und die gesamte Schulklasse spielte nun vollkommen ausgelassen. Sie eroberte ruckzuck den Platz mit all seinen Spielgeräten und den vielen verschiedenen Klettergerüsten. Selbst die sonst ruhige Sophie machte aufgedreht mit.
Sophie und Max rannten sofort zu den Schaukeln, welche an großen Baumstämmen befestigt waren. "Du, Max!? Kann ich dich mal was fragen?" "Was möchtest du denn wissen, Sophie?". Beide Kinder saßen jeweils auf einer Schaukel und ließen die Beine baumeln. "Naja...", sagte Sophie "...kann es nicht doch sein, dass es Haie in der Elbe gibt?" Max schnaufte leicht gereizt: "Nein, denn die meisten Haie leben im Salzwasser. Und in der Elbe fließt nun mal Süßwasser. Außerdem ist es für Haie in der Elbe durch die ganzen Schiffe viel zu laut - genau das mögen sie nicht..."
Die beiden Grundschüler schaukelten weiter, schwiegen aber gedankenversunken. Sophie überlegte sich, später zu Hause ihren Papa zu fragen, ob Haie hören können. Er ist Busfahrer, kommt viel in der Welt herum und sollte es ja eigentlich wissen! Auf dem Spielplatz raste die Zeit. Noch in ihre Gedanken vertieft, hat Sophie es gar nicht gehört, dass Frau Bahn alle Kinder zu sich rief. "Kommst du bitte auch mal her, kleine Träumerin??", sagte die Klassenlehrerin. Sophie schreckte leicht auf, sprang von der Schaukel und lief dann zu ihren Klassenkameraden.
"Wir brechen jetzt zum Adolf-Mittag-See auf und werden uns dort am Imbissstand etwas zum Essen holen. Habt ihr schon Hunger?", fragte Frau Bahn. Es kam wie im Chor ein "Jaaa, haben wir!" zurück. Jeder nahm seinen Rucksack und schon ging es weiter. Leckerer Duft von Pommes und Bratwurst lag in der Luft. Die Schüler hatten sich etwas zu essen und zu trinken bestellt, bezahlt wurde es mit dem Geld aus der Klassenkasse. In der Nähe des Imbissstandes gab es Sitzbänke und Tische, wo die Mädchen und Jungs bereits saßen und ungeduldig warteten.
Auf einmal wurde es mucksmäuschenstill, denn das Mittagessen wurde serviert. Alle mampften sogleich zufrieden ihre Mahlzeit. Frau Bahn stand auf und sagte: "Das nächste Mal wenn wir hier sind, werden wir mit Tretbooten fahren und den Albinmüller-Turm besichtigen. Das wird bestimmt lustig!" Sophie brabbelte vor sich hin: "Das wird garantiert nicht lustig auf einem See zu sein, wo Monster und Haie drin sind!" Sie bekam eine Gänsehaut. Max schaute sie an und brummte ungehalten: "Nein, da gibt es keine Haie drin. Der See ist nicht groß genug und zu flach!"
Nach dem Essen marschierte die Grundschulklasse am erwähnten Adolf-Mittag-See vorbei, der ja gleich um die Ecke war. Es handelte sich um einen kleineren See, wo man nicht drin baden darf. In der Mitte spuckte ein großer Springbrunnen viele Wasserfontänen aus. Kleine Regenbögen bildeten sich um die Wassersäulen. Das war herrlich! Die Kinder sahen auch den Stand mit den Tretbooten und sehnten sich schon nach ihrem nächsten Ausflug. Auf einer großen Wiese angekommen, spielten dann alle noch völlig zeitvergessen Federball, Fußball oder "Fangen".
*Kling, klang, klong - riiiiiiiiing*, war auf einmal zu hören. Die Schulklasse verharrte kurz und schaute wie eine Horde hungriger Hundewelpen auf den angrenzenden Weg. "Super, ja! Puntschella-Eis!", riefen die Kinder zugleich. Das war die Krönung des Tages! "Wir gehen jetzt geschlossen zum Eiswagen und jedes Kind darf sich zwei Kugeln Eis aussuchen. Ich bezahle dann zum Schluss alles bei Daniela.", erklärte Frau Bahn. Das war wie Geburtstag und Weihnachten zusammen. Es gab viele verschiedene Sorten und das leckerste Eis der Stadt!
In Windeseile war nun leider der Wandertag zu Ende und die Grundschüler liefen mit Frau Bahn zurück zur Haltestelle. Sie fuhren geschlossen mit der Straßenbahn zu ihrer Schule, wo bereits die Mamas und Papas ungeduldig auf ihre Kinder warteten. "Papa, Papa!", rief Sophie aufgeregt, als sie ihren Vater sah. Sie rannte in seine Arme, beide drückten sich und begrüßten sich mit einem Küsschen. "Ich muss dir unbedingt erzählen, was wir heute Unglaubliches erlebt haben!!!" Max hörte das, schüttelte den Kopf und wäre dabei fast noch gegen ein Verkehrsschild gelaufen.
Oh Mann, der Max... "Erzähle mir das alles bitte ganz genau nachher zu Hause. Ich bin schon sehr gespannt, meine Püppi!", flüsterte Papa Otto seiner Tochter Sophie ins Ohr. Sie schaute ihn an und erwiderte: "Ich habe einen grünen Hai in der Elbe gesehen. Aber eigentlich war es "nur" eine Boje. Trotzdem könnte es aber auch ein seltener grüner Bojenhai gewesen sein?!" Papa Otto Kaiser konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. "So so, ein seltener grüner Bojenhai also. Naja... Hat dein Hai denn auch einen Namen?", fragte Otto. Sophie überlegte angestrengt und fing an zu grübeln.
Papa Otto und seine Tochter stiegen ins Auto ein und fuhren nach Hause. Während der ganzen Autofahrt schnatterte Sophie wie ein Wasserfall, fast ohne Luft zu holen. So aufgeregt war sie. Zu Hause angekommen, hakte Otto noch einmal nach: "Klaus oder Luise - wie heißt dein Hai denn nun?" Das Mädchen stützte ihren Kopf auf einem Arm ab: "Tja Papa, das ist doch ganz einfach. Er ist ein Junge, heißt Kai und ist ein grünes Bojenhai-Baby." Otto dachte: Bitte, was? Jetzt konnte er aber nicht mehr anders und prustete laut los. Beide schauten sich an und lachten herzlich...
Nachdem dann alles Erlebte ausführlich erzählt wurde und das Abendbrot bis auf das letzte Stückchen verputzt wurde, machte sich Sophie bettfertig. Es war doch schon spät. Als sie im Schlafanzug aus dem Bad kam, fiel ihr ein, dass sie ihren Papa ja noch etwas fragen wollte. Sie kroch in ihr Bett und deckte sich zu. Der Vater kam ins Zimmer und setzte sich auf die Bettkante. "Du Papa!? Ich habe da noch eine wichtige Frage." Sophie schaute ihrem Papa tief in die Augen und hakte mit ernster Miene nach: "Können Haie eigentlich hören? Also so, wie wir Menschen??"
"Ja, Haie können auch hören. Aber lange nicht so gut wie wir. Sie nehmen eher über ihren Körper Schwingungen wahr und haben ausgeprägtere Sinne.", antwortete er. Jetzt war Sophie beruhigt. Beide gaben sich noch ein Gutenachtküsschen. "Schlaf jetzt gut, morgen klingelt wieder früh der Wecker." Diesen Satz kannte der Knirps nur zu gut. Papa Otto stand auf, machte das Licht aus und verließ lächelnd das Zimmer. Sophie drehte sich um und schloss ihre Augen. Doch im Kopf des kleinen Mädchens brodelte es schon. Tausend Gedanken kreisten um den kleinen grünen Hai...
Sie versuchte sich vorzustellen wie es wohl wäre, selbst ein Fisch zu sein. Was man da alles erleben würde! Man könnte um die ganze Welt schwimmen und Tiere sehen, die sonst nur im Verborgenen leben. Man bräuchte kein U-Boot, kann sich aber trotzdem überall frei bewegen. Der pure Wahnsinn! Sophie gähnte ausgiebig und grinste zufrieden. Und so passierte es, dass sie völlig überwältigt vom heute Erlebten, schon kurze Zeit später mit ihrem Kuschelteddy "Krümel" im Arm einschlief und sich allmählich in eine ganz andere Welt träumte...
Dienstag, Rettungstag.
"Hey, du Schlafmütze!", piepste eine leise Stimme. "Du kannst doch nicht die ganze Zeit hier auf dem Domfelsen im Wasser liegen und dir die Sonne auf den Bauch scheinen lassen! Hast du schon vergessen, was du heute tun wolltest??", säuselte es. Häää, wie bitte??? Sophie blinzelte und sah eine Libelle mit großen Augen vor sich in der Luft fliegen. Hatte die Libelle jetzt mit ihr gesprochen? Das kann doch gar nicht sein! "Los, steh jetzt auf. Sonst kommst du noch zu spät! Immer muss ich dich wecken.", sprach die Libelle. Sophie verstand die Welt nicht mehr...
Sie drehte sich um und rutschte fast von einem großen Stein herunter. Wo bin ich und warum ist hier überall Wasser? Sie schaute an sich herunter und traute ihren Augen nicht. Wo sind meine Arme und wieso habe ich auf einmal Flossen? Nein, das kann nun wirklich nicht sein. Oder doch? Sie versuchte hochzuhüpfen, schoss aber mit Schwung aus dem Wasser. Dabei spiegelte sie sich auf der Wasseroberfläche. "Ach, das ist bestimmt alles wieder nur ein Traum! Ich bin doch kein Fisch und schon gar nicht ein kleiner grüner Hai!", zischte sie und lächelte plötzlich unsicher.
Neben Sophie platschte etwas ins Wasser. Kurz darauf tauchte ein Frosch auf und sagte: "Meine Güte. Immer brauchst du eine Extraeinladung!" Sophie schaute sich fragend um und entgegnete: "Redest du mit mir? Ich bin ein Mädchen und gehe in die 2. Kla..!" "Schnickschnack und Firlefanz! Seit wann haben Menschen Flossen und sind grün?", unterbrach sie der Frosch und fuhr fort: "Willst du mich veräppeln? Du bist ein kleiner Hai. Schon vergessen?" Der Frosch verdrehte die Augen, quakte laut und zog seine Mundwinkel zu einem breiten Grinsen nach oben.
"Vielleicht bin ich in meinem eigenen Traum?", dachte sie. Das ist alles sehr komisch. Allerdings fand Sophie es auch wahnsinnig toll, fast schwerelos im Wasser herumzuplanschen. Hui, das macht so viel Spaß! Sophie fragte neugierig: "Und wie heißt ihr?" "Ähm... was??", quakte der Frosch leicht irritiert: "Ich heiße Fritzi Frosch. Dort über dir ist Lilo Libelle, deine beste Freundin. Du bist Kai, hast nur zwei Zähne und wohnst hier am Domfelsen. Dein Papa ist noch auf Weltreise und sucht den Schatz, den ein Wal namens 'Mibo Dünn' früher aus Versehen verschluckt hatte."
Fritzi dachte, dass Kai sich bestimmt nur den Kopf unter Wasser gestoßen hatte und er kurzzeitig unter Gedächtnisverlust litt. "Na, klingelt es jetzt in deinem hellen Köpfchen?", fragte er. In der Luft lachte mit piepsiger Stimme Lilo Libelle und flog summend Kreise. "Wie bitte, ich bin wirklich Kai? Also ein richtiger Hai?", stotterte Sophie. Fritzi erwiderte: "Ja, du bist sogar ein seltener grüner Bojenhai. Was denn sonst, etwa ein Segelboot?? So, genug erzählt. Los, mach dich jetzt fertig. Wir wollen gleich zum Rathaus aufbrechen. Dort müssen wir Schleichi, die Schnecke retten!"
"Aha, Schleichi retten. Na gut, dann bin ich eben ab jetzt ein Hai. Es scheint eh alles hier nur ein Traum zu sein, irgendwann wache ich dann garantiert wieder als Schulkind zu Hause bei Papa auf. Obwohl! Ich als Kai? Das wird bestimmt witzig!", scherzte Sophie fröhlich. Auf einmal ertönte ein schrilles Geräusch: *Klingelingelingeling*. "Hi, Kai! Zähneputzen nicht vergessen! Hast ja nur zwei davon, also geht das recht schnell bei dir.", rief Fritzi kichernd mit einer winzigen goldenen Glocke in seiner Hand, welche er vor langer Zeit auf dem Domfelsen gefunden hatte...
Dann kann es nun endlich mit den Abenteuergeschichten losgehen. Viel Spaß beim Lesen oder Zuhören... 😉
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